Rezension: Peter Poellner: The Philosophy of Existential Modernism in Nietzsche, Scheler, Sartre, Musil
Peter Poellner: The Philosophy of Existential Modernism in Nietzsche, Scheler, Sartre, Musil: Oxford University Press, 2022, ix + 255 S. ISBN 978-1-3502-4816-8. € 95.19 (Gebundenes Buch), € 77.30 (Kindle).
Peter Poellner, Professor emeritus der University Warwick in Großbritannien, hat schon verschiedene Publikationen über Nietzsche und Sartre vorzuweisen. Teile von ihnen flossen auch in sein neuestes Werk über Nietzsche, Scheler, Sartre und Musil ein. Auch war der Themenkreis von Werten und Emotionen schon in früheren Veröffentlichungen prominent vertreten. In diesem Sinne kann seine Philosophy of Existential Modernism wohl als Poellners Summa seines philosophischen Arbeitens verstanden werden.
Philosophy of Existential Modernism ist ein Buch, dessen Lektüre wohl immer wieder den Widerspruch des Lesers herausfordern wird. Aber ist nicht dies der Sinn und Zweck eines guten Buches? Nur der Widerspruch schärft unsere Argumente. Für Poellner zählen Nietzsche, Scheler, Sartre und Musil zu den bedeutendsten Vertretern jener Richtung, die Poellner als existentiellen Modernismus bezeichnet. Modernismus steht für jene Richtung des Denkens, die im Gegensatz zur Romantik und zum deutschen Idealismus nicht von einem idealisierten Verständnis des Menschen ausgeht, sondern ein eher entzaubertes Bild des modernen Menschen hegt, eines Menschen, der in extremer Entfremdung, unauthentischer Konventionalität und geistiger Oberflächlichkeit lebt. Und dieser Modernismus ist existentiell, nicht nur weil er existentielle Fragen berührt, sondern auch weil er vom Subjekt, der gelebten Erfahrung ausgeht.
Der Begriff des existentiellen Modernismus wirkt auf Anhieb attraktiv. Nicht wenig trägt dazu auch die Verbindung von Philosophie und Literatur bei. Aber es stellen sich sofort Fragen. Nietzsche, der eher einem Historizismus zugeneigte Denker, bei dem nicht das individuelle Subjekt, sondern Kategorie von Übermenschen und Sklaven im Vordergrund stehen, und Sartre, der alles vom Subjekt her denkt, in derselben Kategorie? Scheler und seine Wertethik, die von Husserls Streben nach der Wesensschau geprägt ist, und Sartre, der sich nach einer phänomenologischen Phase in den 30er Jahren gegen Husserl wandte, als nahe philosophische Verwandte? Husserl ist der nach Nietzsche, Sartre und Scheler am häufigsten erwähnte Philosoph. Aber warum fehlen Kierkegaard und Jaspers, auch William James und Camus? Und wo ist Kafka? Selbst wenn Poellner zugestanden wird, dass er nicht das Denken seiner Protagonisten im breitesten Sinne darlegen, sondern nur auf deren (meta-)ethischen Aspekte fokussieren will, wenigstens ein paar Hinweise auf die andern diese Denker hätten erwartet werden dürfen. Eine Übersicht über den existentiellen Modernismus ist das Buch nicht.